Der Großstadt braunes Erbe

DSC01849Tja, wie soll ich sagen? Der Titel impliziert ja irgendwie eine Assoziierung mit der Zeit zwischen 1933-1945. Leider muss ich euch da etwas enttäuschen, es geht nicht um die NS Zeit. Auch hat es nichts mit politischer Einstellung oder irgendwelchen Dogmen zu tun.

Vielmehr möchte ich auf gewisse, nennen wir es mal hygienische Notstände, aufmerksam machen. Jeder kennt das Problem, viele ignorieren es einfach, einige gehen ab wie Schmidt´s Katze wenn das Thema zur Sprache kommt. Aber halt, eins nach dem anderen.

Es ist Anfang Dezember. Der Winter lässt auch wie die Jahre davor noch auf sich warten. Von Schnee keine Spur. Lediglich die Temperaturen liegen etwas über den Gefrierpunkt. Die Ufer der Gewässer liegen noch voller Herbstlaub und damit beginnt unser Dilemma. Mein Angelbuddy Nils und ich wollen noch etwas den Regenbogenforellen in unserem Hausgewässer nachstellen. Das rutschige Laub macht das Ganze jedoch nicht wirklich einfacher. Mehr als einmal müssen wir uns an der Vegetation festhalten um nicht unversehens im Wasser zu landen. Aber gut, soweit ist die Welt noch in Ordnung. Um unsere Fangchancen zu verbessern trennen wir uns, ich gehe ca. 200m voraus während er die Steinpackungen an einer Aussenkante abfischt. Wenig später höre ich einen archaischen Schrei, denke mir aber nichts dabei. Wer in einer Millionenstadt wie München aufwächst weiß aus eigener Erfahrung, dass eine gesunde Gesellschaft viele Narren vertragen kann und wohl leider auch muss. Außerdem sind Städte auch immer Sammelstellen für geistige Tiefflieger die ihre extrovertierten Verhaltensweisen und ihren geistigen Dünnschiss unbedingt ihren Mitmenschen aufs Auge drücken müssen. Das beginnt schon in den öffentlichen Verkehrsmitteln in der Früh wenn besagte Randexistenzen mit ihren sexuellen Aufrissen der letzten Tage prahlen. Besonders bildlich ist mir die Geschichte eines jungen Kerls in Erinnerung geblieben der ein zweibeiniges Schminkköfferchen so ordentlich durch genudelt hat, dass nach seinen Angaben ne Puderwolke durchs Schlafzimmer zog. Aber an dieser Stelle muss man auch wieder eine Lanze für die Männer brechen, die Frauen untereinander sind um keinen Zoll besser. Da wird über die Länge des Gemächts ihrer Bespaßer getratscht, wer die Filzläuse oder Chlamydien von wem hat usw. Aber gut, wir Menschen sind ja eine tolerante Spezies. Zurück zum Thema. Nachdem ich eine knappe Stunde nach dem Schrei nichts mehr von Nils gehört habe, mache ich mir doch etwas Gedanken. War er es, der geschrien hat? Ist ihm was passiert? Wo steckt er bloß? Na gut denke ich mir, bis zur Brücke fische ich noch, danach ruf ich mal durch wo der Bursche steckt. Als die Brücke schon in Sichtweite ist, entdecke ich eine kleine Schneise in der Vegetation und denke noch so für mich: Mensch, perfekt, da kommt ich ohne Kletterei ans Wasser und kann sogar problemlos auswerfen. Folglich gehe ich auf dem glitschigen Laub runter bis ans Wasser. Mehrmals kann ich eine elegante Arschrutsche vermeiden indem ich mich in letzter Sekunde an den Ästen um mich herum festhalte. In diesen Momenten verfluche ich die Wahl meines Schuhwerks. Im Gegensatz zu Nils trage ich heute meine Gummistiefel. Aber naja, was solls, ist na nichts passiert. Unten am Wasser angekommen mache ich ein, zwei Würfe bevor ich den signifikanten Odeur von E. Coli und Konsorten in der Nase habe. Verdammt denke ich mir, hier hat einer aber ordentlich abgelurcht. Ein Blick nach unten bestätigt meine schlimmsten Befürchtungen: Die Spitze meines rechten Gummistiefels ist mit einem hellbraunen Schokoüberzug verziert. Augenblicklich überkommt mich ein Wechselbad der Gefühle. Zum einen kann man ja nicht wirklich den Hunden die Schuld geben, schließlich sind ihre Besitzer in der Pflicht die Hinterlassenschaften ihrer Pfleglinge wieder einzusammeln. Mit etwas befremdlicher Genugtuung kommen mir diverse Zeitungsartikel in den Sinn die sich alle mit den Thema Hundehass beschäftigen. Sei es jetzt der Psycho der vergiftete Köder auslegt oder der Sadist der Köder mit Rasierklingen spickt um sich der Hundeplage zu entledigen. In diesem Moment empfinde ich schon fast so etwas wie Sympathie für diese Personen. Aber halt, erstmal tief durchatmen und – igitt, tief durchatmen ist in der beschriebenen Lage absolut der falsche Ansatz. Leider war das Hirn hier etwas zu langsam und ich rieche der sauren Geruch der Fäkalien des karnivoren Übeltäters. Nun gut denke ich, wenigstens habe ich Gummistiefel an. Einmal ein paar Meter ins Wasser waten und der Schokodip ist weg. Gedacht, getan. Mittlerweile achte ich noch mehr darauf wo ich hintrete aber in dem mich umgebenden Laubteppich kann man nen Schokohaufen nicht vom übrigen Laub unterscheiden. Ärgerlich aber hey, wenigstens hab ich Gummistiefel an, es könnte schlimmer sein. Ich stelle mir vor, es wären meine neuen Lederbergstiefel von HanWag deren Spitze voll mit Hundekot wäre. Wieder packt mit der pure Hass auf Hund bzw. auf die faule Sau die sich Herrchen schimpft. Vor 3 Wochen ist Kollege Nils bereits in ein besonders üppiges Exemplar getreten und hatte sich seine Salomon Zapatillas Sportschuhe versaut. Problematisch wirds halt immer dann, wenn der Dreck nicht nur an der Sohle klebt sondern Aufgrund von Menge und Konsistenz über den Rand der Sohle nach oben gedrückt wird und sich auf dem Obermaterial der Schuhe anheftet. Aber hey lieber Leser, guten Appetit.

Mittlerweile sind meine Gummistiefel wieder sauber und Kollege Nils ist immer noch verschollen. Also schnell das ach so wichtige Smartphone gezückt und durchgeklingelt. Eine dünne, zitternde und irgendwie emotional an Ende klingende Stimme meldet sich. Ich frage erstmal nach mit wem ich denn gerade Spreche und ob sich Nils in der Nähe befindet. Mit nicht minderen Erstaunen muss ich feststellen, dass die dünne Fistelstimme zu meinem Angelkumpel gehört. Etwas verdutzt frage ich nach ob alles in Ordnung sei. Daraufhin erhalte ich erst mal Schweigen. Etwas verwirrt sage ich ihm wo ich mich gerade befinde und bitte ihn, möglichst rasch an die Brücke zu kommen damit wir gemeinsam den Schussbereich danach befischen können. Die ominöse Stimme sagt zu. Eine Viertel Stunde später sehe ich Nils durchs Gebüsch schleichen, sein Antlitz ist blass, er scheint emotional erregt zu sein denn seine Hände zittern. Vorsichtige nähere ich mich ihm, kaum bin ich in Reichweite fängt er an zu fluchen, zu schimpfen und den dritten Weltkrieg herauf zu beschwören. Was zum Henker ist los? Ich kenne ihn sonst nur als den netten, extrem toleranten und introvertierten Kerl mit dem eigentlich jeder gut klar kommt. Zuerst verstehe ich nur Brocken, dann fallen immer öfter die Worte „…meine neuen Schuhe, links und rechts, verdammte Köter, alles voller Scheiße…“ Irgendwie schwant mir böses. Nachdem er sich halbwegs wieder beruhigt hat, findet er nun auch die Kraft von vorne zu erzählen. Nachdem ich vorausgegangen bin, begab auch er sich runter an die Steinpackungen zum Fischen. Dort angekommen bemerkt er ein stinkendes, braunes Etwas was sich links und rechts bis zur Hälfte der Schnurführung bei seinen neuen Salomon Sportschuhen (ja, ihr lest richtig. Nachdem die Alten ja einer Fäkalmine zum Opfer gefallen sind, hatte er sein Sparschwein geschlachtet, welches als Student ja ohnehin meist eher spärlich gefüllt ist, und sich nagelneue Salomons Sportschuhe gekauft) hochgedrückt hatte. Anschließend versuchte er mittels eines kleinen Stöckchens die Kotreste irgendwie von den Seiten seiner Schuhe zu entfernen bevor der ganze Kot in das Obermaterial der Schuhe einzieht. Unglücklicherweise trat er auf dem Weg zum nächsten Strauch um sich dort besagtes Stöckchen zu holen, erneut in eine Fäkalmine. Das war der Moment in dem ich ein paar hundert Meter weiter vorne den archaischen Urschrei gehört hatte.

Nachdem ich mir selber ein Bilder der Lage machen kann, finde ich allerdings wenig tröstende Worte für ihn. Die Lage sieht verheerend aus. Beide Schuhe sind regelrecht mit Kot verschmiert, das Obermaterial strotzt nur so vor Scheiße. Das die Schuhe umgebende Aroma ist atemberaubend. Nils ist auch nach dieser Erzählung noch kalkweiß im Gesicht, allerdings lässt das Zittern langsam nach. Die Schuhe kann er auf jeden Fall wegwerfen, knappe 130€ für die Katz und das nur weil ein paar Arschlöcher von Hundehaltern zu faul waren die Scheiße ihrer Schützlinge wieder mitzunehmen. Na besten Dank auch.

Grundsätzlich ist der Versuch Hundekot (gilt auch für Katzen, Marder-, Fuchskot usw.) zu entfernen auf für den Menschen nicht ganz ungefährlich. Hunde und Katzen sind auch potentielle Träger diverser Bakterien und Parasiten die sich auch auf den Menschen übertragen lassen. Zu erwähnen sind hier neben den harmlosen Parasiten wie Spulwürmern, Hakenwürmern und anderen Endoparasiten auch die absolut lebensgefährlichen Fuchs- und Hundebandwürmer. Allein in München leben (nach Medienangaben) schätzungsweise 4000 Füchse. Es wäre wohl sehr blauäugig anzunehmen, dass die alle gegen Fuchsbandwurm behandelt sind. Noch blauäugiger wäre es anzunehmen, dass alle Tierhalter immer die Impfintervalle einhalten und mit ihren Fäkalschleudern regelmäßig zum Entwurmen und Impfen zum Tierarzt gehen. Ohne jetzt Panik machen zu wollen muss man doch ganz klar sagen, dass jeder zurückgelassene Hundehaufen eine potentielle Infektionsquelle darstellt. Vor allem auch für Kinder die ja in ihrer Naivität so ziemlich alles in die Hand nehmen oder in ihre Futterluke stecken. Auch Schwangere sollten sich von Fäkalien fernhalten, Stichwort Toxoplasmose. Die Einführung dieser roten Hundehaufen Kotbeutel oder wie auch immer man die Dinger nennt, ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sollte man die Geldstrafen für Wildscheißer/Aufhebeverweigerer deutlich anheben um einen raschen Lerneffekt zu erzielen. Wir für unseren Teil haben uns vorgenommen solche „Ist mir doch egal wo mein Hund hinscheißt“ Personen öffentlich anzusprechen bzw. das Ganze (sollte es eskalieren und die Person handgreiflich werden was natürlich keiner von uns hofft bzw. will) mit unseren GoPro Kameras zu dokumentieren. Glücklicherweise ist auch in der Hundehalterszene der Ton gegenüber den Tütenverweigerern relativ ruppig, so dass früher oder später ein Großteil der Hundehalter die Tüten auch dauerhaft benutzen wird.

Für die zwei Paar Turnschuhe von Nils kommt das leider zu spät. Auf den Kosten wird er sitzen bleiben, ebenso wie der eine oder andere Geschädigte.

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Pete
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